Es rollte im wahrsten Sinn zum Jubiläum “120 Jahre Straßenbahn in Gotha, 85 Jahre Thüringerwaldbahn”.
120 Jahre Straßenbahn in Gotha: Jan (10/rechts) Emily und Fynn sind mit ihren Eltern wie Hunderte Besucher zum Jubiläum auf den Betriebshof gekommen. Foto: Wieland Fischer
Gotha. Dieter Schedel streckt beide Daumen in die Höhe: “Alles läuft reibungslos!” Der Geschäftsführer der Thüringerwaldbahn GmbH spricht von der Bewirtung und Unterhaltung Hunderter Besucher in der Wagenhalle und vor allem von den vielen Sonderfahrten, die am Samstag neben dem Linienverkehr durch Gotha und auf der Waldbahnstrecke Gotha -Tabarz eingetaktet sind.
Beliebtes Fotomotiv: Überall wurden Straßenbahnen fotografiert. Foto: Wieland Fischer
Kurz vor Beginn des Festes drohte eine Hauptattraktion, eine Straßenbahn von 1912, die eigens aus Zwickau herangekarrt worden war, wegen eines technischen Defekts für die Sonderfahrten auszufallen. Am Vortag war der Triebwagen mit offenem Perron, in dem Gästen und Fahrer der Wind um die Nase bläst, bei einer Testfahrt durch Gotha von einem starken Regenguss überrascht wurden. Wasser drang bis zur Elektrik vor: Kurzschluss. Die ganze Nacht hindurch sei mit Hochdruck daran gearbeitet worden, den Schaden zu beheben und die beiden 60 Kilowatt starken Motoren des mehr 100 Jahre alten Triebwagens wieder in Gang zu setzen, berichtet Schedel.
Kurz vor Beginn der Jubiläumsfeier konnten dann Gothas Straßenbahner aufatmen. Das historische Fahrzeug beförderte die Gäste ebenso wie der Gothaer Traditionszug oder die “Blaue” (Baujahr 1955) auf den Strecken hin und her.
Die Zwickauer, Baujahr 1912. Foto: Wieland Fischer
Die “Zwickauer” wurde 1912 bei MAN in Nürnberg gebaut. Sie fuhr bis 1968 mit geschlossenem Perron in Plauen. 1969, anlässlich des Jubiläums “75 Jahre Zwickauer Straßenbahn” war sie wieder in den Originalzustand mit offenem Perron versetzt worden.
Die “Blaue” gehörte zu den Triebwagen, die in Gotha auf der sogenannten Friedhofslinie eingesetzt worden waren. Sie besaß vorn und hinten einen Fahrerstand, Wendeschleifen für die Rücktour waren damit nicht erforderlich.
Die heutigen Wendeschleifen kamen den Straßenbahnfreunden beim Jubiläum in Gotha sehr gelegen. Bevor die historischen Triebwagen etwa auf den Betriebshof einfuhren, ließ der Schaffner manche Fahrgäste aussteigen, um ihnen die Gelegenheit zum Filmen oder Fotografieren der alten Straßenbahnen zu geben. Ständig säumten am Samstag Straßenbahnfreunde, mit Rucksack und Kamera bepackt, die Strecke. Mancher war eigens deswegen von weiter her angereist. Den weitesten Weg hatte ein Mailänder auf sich genommen, berichtet Schedel.
Das Interesse an Straßenbahnen ist auch im Computerzeitalter ungebrochen. Der zehnjährige Jan aus Tambach-Dietharz ist ein totaler Straßenbahnfan, berichtet seine Mutter. Er kenne die Fahrpläne und schreibe sogar eigene. Klar, dass er die Gelegenheit wie die zahllosen anderen Gäste nutzte, um mit alten Bimmelbahnen zu fahren will. Die Wartezeiten konnten sich die Besucher in der Wagenhalle vertreiben. Neben Triebwagen, Modellbahn und Ständen war auch eine Bühne aufgebaut. Auf die stieg am Nachmittag Gothas Konzertmeister Alexej Barchevitch als “Louis Spohr”. Mit Geigensolo gab er ein Dankeschön dafür, dass die Wagenhalle erstmals in der 120-jährigen Geschichte der Gothaer Straßenbahn als Podium des ersten Kinder-Kulturfestivals diente.
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(Thueringer Allgemeine) Wieland Fischer / 23.09.14 / TLZ
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