Gotha. Während in Ostdeutschland bzw. der DDR zweiachsige Straßenbahnen noch bis 1966, die ersten vierachsigen erst 1961/62 hergestellt wurden, verlief die Entwicklung in der Tschechoslowakei anders. Bereits 1951 wurde der erste vierachsige Straßenbahntriebwagen der Öffentlichkeit vorgestellt. Es war allerdings ein Lizenzfahrzeug: Nach dem Vergleich zwischen deutschen, schweizerischen und amerikanischen Straßenbahnentwicklungen war man auf den sogenannten PCC- Wagen aus den USA aufmerksam geworden. PCC bedeutet “President Conference Committee”; am Ende des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts hatten sich amerikanische Straßenbahnverwaltungen zusammengetan, um gemeinsam einen Einheitswagen zu entwickeln.
Die Baumerkmale wurden in der US-Präsidentenkonferenz festgelegt und beinhalteten unter anderem folgende Punkte:
- Vierachsige Straßenbahn-Einrichtungstriebwagen mit Möglichkeit zur Doppel- und Dreifachtraktion,
- elektrische Ausrüstung mit Fußsteuerung und Beschleuniger,
- hohe Beschleunigungs- und Bremswerte,
- Geschwindigkeit von mindestens 60 km/h,
- aerodynamischer Wagenkörper, keine Stufen und Teilungen im Innenraum.
An der Produktion der Straßenbahnen waren namhafte Firmen in den USA und Kanada beteiligt. In Europa bauten Fiat und belgische Firmen PCC-Lizenzbahnen, auch einige deutsche Deuwag-Einheitswagen gehen auf diese Quelle zurück. Innerhalb des Ostblocks erwarben die Prager Firmen Tatra und CKD eine Lizenz, das erste so entstandene Modell (Tatra T1) wurde wiederum in Polen illegal nachgebaut.
Von den Bauarten T1 und T2 wurden zwischen 1951 und 1962 insgesamt 1058 Stück gebaut, die hauptsächlich in der CSSR und der Sowjetunion eingesetzt waren. Eine Erfolgsstory, wie sie in der Geschichte bisher einmalig war, wurde die Entwicklung der Serien T3 und T4. Zwischen 1960 und 1989 wurden 16 630 Triebwagen und 992 Beiwagen hergestellt! Allein 11368 Triebwagen wurden in die Sowjetunion geliefert, 2013 Trieb- und 907 Beiwagen in die DDR. Durch die Belieferung fast aller Ostblockstaaten wurden die Firmen Tatra und CKD Praha zum größten Straßenbahnhersteller der Welt.
In die DDR wurden die Typen T3D (Version mit breitem Wagenkasten) und T4D (Version mit schmalerem Wagenkasten) geliefert. Die Beiwagen B3D und B4D waren eine Neuentwicklung, das “D” am Ende der Bezeichnung kennzeichnet die Ausführung für die DDR. Mit einem aus zwei Trieb- und einem Beiwagen gebildeten Großzug konnten ca. 330 Fahrgäste befördert werden.
Allerdings waren die jeweils 15 Meter langen Wagen für viele Straßenbahnnetze mit engen Straßen und scharfen Kurven nicht geeignet. So kam es extra für die DDR zur Neuentwicklung mit der Bezeichnung KT4D, den Kurzgelenk-Triebwagen, wie sie auch in Gotha eingesetzt sind. Sie sind durch den knickbaren Wagenkasten sehr kurvengängig und basieren sonst technisch auf dem Typ T3/ T4. Sie können in Doppel- oder Dreifachtraktion fahren.
Die Gothaer Straßenbahn erhielt 1981/ 82 zunächst sechs Fahrzeuge direkt vom Hersteller. Jeder Wagen kann etwa 130 Fahrgäste befördern, das Sitzplatzangebot unterschied sich nach dem geplanten Einsatz im Stadtverkehr oder auf der Thüringerwaldbahn. Zwischen 2001 und 2008 konnte noch einmal ein reichliches Dutzend Fahrzeuge gebraucht aus Erfurt übernommen werden: Man hatte niemals das Ziel aus den Augen verloren, einen möglichst einheitlichen Wagenpark einsetzen zu können.
Nach einer Modernisierung befinden sich die Fahrzeuge heute aber nicht mehr im Ursprungszustand. In die DDR wurden zwischen 1972 und 1990 insgesamt 1040 KT4D geliefert, zudem erhielten Betriebe in der UdSSR, Jugoslawien und Nordkorea diese Bahnen.
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