“TLZ online” vom 11.1.2007
Gotha-Boxberg. (tlz) Ein tristes verschmiertes Transformatorenhaus am Fuße des Boxbergs verwandelten sieben Graffiti-Sprayer in einen echten Blickfang. Eine Rennbahn-Szene, Züge der Wald- und Straßenbahn, Tags und Schriftzüge der Sprayer beweisen: Graffiti kann eine Kunstform sein. Dieses Anliegen verwirklichten die Jugendlichen im Zuge des Graffiti-Projekts der Gothaer Ordnungspartnerschaft. Illegale Sprayereien sind Stadt, Landkreis und Polizei ein erheblicher Dorn im Auge. Innerhalb der Ordnungspartnerschaft gibt es deswegen eine eigene Arbeitsgruppe. Neben der Verfolgung von Graffiti-Straftaten entwickelte die Arbeitsgruppe ein Konzept, damit Jugendliche legal sprühen können. Neben der Gelegenheit, das Hobby auszuleben und präventiver Arbeit stellte sich dabei auch ein ganz praktischer Aspekt ein: Kunstvoll gestaltete Graffiti-Fassaden sind für illegale Sprayer tabu – Ehrenkodex.
Auch wenn die Idee schnell geboren war, die Umsetzung brauchte einige Zeit. Vor allem weil zunächst ein geeignetes Gebäude für die Sprayer fehlte. Die Thüringerwald- und Straßenbahn stellte schließlich ihr Transformatorenhaus am Boxberg zur Verfügung, das bereits mit mehreren Graffitischichten übersäht war.
Nach einem öffentlichen Aufruf meldeten sich Sprayer mit neun Motivvorschlägen, die TWSB als Eigentümerin wählte schließlich drei aus. 1200 Euro für Farben stifteten TWSB, Stadt und Landkreis, die Firma Nestler und Habermann reinigte und grundierte die Fassade und stellte den Sprayern ein Gerüst zur Verfügung. Als Sponsorenbeitrag. Drei Wochenenden waren die Sprayer mit Unterstützung von Mitgliedern der Arbeitsgruppe “Graffiti” am Werk.
“Graffiti kann etwas Positives bewirken”, sagte Landrat Konrad Gießmann gestern zur Übergabe angesichts der gelungenen Gestaltung. Er könne sich vorstellen, dass die von der Straße aus gut sichtbaren Bilder Autofahrer zum langsam fahren animieren und so nebenbei, die Sicherheit an Übergang der Waldbahn steigt.
Besser als das Graffiti auf einem Reisebus allemal, wie Oberbürgermeister Kreuch als Anekdote einführte. Ein Hamburger Unternehmen habe gegenüber der Stadt angekündigt, Gotha aus dem Reiseplan zu streichen, nachdem zum dritten Mal ein Bus nachts beschmiert wurde. Gemeinsam mit der Polizei habe er bereits vorbeugende Maßnahmen eingeleitet, sagte Kreuch. Er wolle nun versuchen, das Unternehmen wieder für Gotha zu begeistern, so Kreuch über die Folgen des brisanten Themas.
In Gotha wurden der Polizei vergangenes Jahr etwa 500 illegale Sprayereien angezeigt, die Aufklärungsquote stieg von etwa zehn auf mehr als 25 Prozent. Die höhere Aufklärung ist Folge eines erfolgreichen Nachteinsatzes gegen Sprayer, bei dem mehrere aktive Jugendliche erwischt wurden. Innerhalb der Stadtverwaltung wurde mit Petra Brandau eine Graffiti-Beauftragte berufen. Die Mitarbeiterin des Ordnungsamtes ist für Geschädigte und Ratsuchende, aber auch für an Projekten interessierte Sprayer die neue Ansprechpartnerin.
11.01.2007 Von Oliver Bauer
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