“TLZ online” vom 18.10.2006
Gotha. (tlz) Oberbürgermeister Knut Kreuch (SPD) hat bei seinem Dienstantritt die Stadtratsmitglieder und die Gothaer schon mal scherzhaft vor seinen Spontanideen gewarnt, nun droht ihm erstmals Widerspruch. Sein Tempo will die Linkspartei bei der Umgestaltung des Gothaer Bahnhofsumfelds nicht mitgehen.
Dass der Kauf und Abriss des Bahnhofsgebäudes sowie ein Neubau – von Kreuch beim Richtfest am Bahnhofsvorplatz als bereits durchgeplante Maßnahme vorgestellt – durch die Hintertür in die Wege geleitet wird, hat “uns schon empört”, klagt Vera Fitzke von der Fraktion der Linkspartei. PDS. So jedenfalls empfinde es die Fraktion. “So empört war ich schon lange nicht mehr”, unterstreicht sie.
Grund ist die für den heutigen Mittwoch im Stadtrat vorgesehene Beantragung von Fördermitteln für die Sanierungsgebiete “Altstadt Gotha” und “Schmaler Rain”. Darin enthalten sind auch 510 000 Euro für Erwerb und Abriss des Bahnhofs. Ein Haufen Geld und doch für die Stadt ein Schnäppchen, den gerechnet wird mit 97,5 Prozent Förderung und einem Eigenanteil von nur 2,5 Prozent. Das heißt: Erwerb und Abriss des Bahnhofsgebäudes würden die Stadt tatsächlich nur 12 750 Euro kosten.
Fitzke geht das entschieden zu schnell: Sind die Fördermittel beantragt und möglicherweise bewilligt, dann ist der Fortgang im Prinzip vorbestimmt. Zumal der Entwurf eines modernen verglasten Gebäudes auf dem Tisch liegt. Das sieht auch ihr Fraktionskollege Bernd Fundheller so: “Das Bahnhofsgebäude schon dem Abriss preiszugeben liegt bestimmt nicht allein in der Hand der Verwaltung und ein Stadtrat, der durch die Bürger der Stadt Gotha gewählt wurde, wird hier schon die Meinung seiner Wähler äußern dürfen.”
Vollends auf Kreuchs Kappe geht das wohl nicht. Im Zuge der sich zunächst dahin schleppenden Vorarbeiten beim Bahnhofsvorplatz hatten OB Doenitz (SPD) und Bürgermeister Klaus Exner (CDU) den Missstand Bahnhofsgebäude angeprangert.
Aber, so sieht es Fundheller, liege die Verantwortung für Investitionen erst mal bei der Deutschen Bahn.
Die aber hegt mit Blick auf das Gothaer Bahnhofsgebäude keine Ambitionen. Wie eine Sprecherin auf Anfrage der TLZ mitteilte, rechnet das Unternehmen fest mit dem Verkauf an die Stadt Gotha. Ein Entwurf des Kaufvertrages sei im Gespräch. Ein Reisezentrum mit eigenem Personal sieht die Bahn in Gotha nicht mehr vor. Vorstellbar sei neben dem Fahrscheinverkauf durch Automaten ein “DB Servicestore”, das heißt die Dienstleistungen von Auskunft bis Fahrkartenverkauf erledigt eine Firma im Auftrag der Bahn. Dieses Modell – vergleichbar mit einer Postagentur – wird nach Angaben der Sprecherin in Arnstadt, Apolda und Bad Salzungen umgesetzt und funktioniere gut. Ehemalige Mitarbeiter hätten sich selbstständig gemacht, der Service sei kompetent, unterstreicht die Sprecherin.
“Absoluter Stilbruch”, klagt beispielsweise TLZ-Leser Torsten Kirchner angesichts der Entwürfe für das neue Bahnhofsgebäude. Das passe nicht ins Bild der Bahnhofstraße. Zumindest die der Stadt zugewandte Fassade müsse erhalten bleiben, sagt er. Aber auch die Fassade spiegelt nur einen Teil der Bahnhofshistorie wider. Der 1847 eröffnete Gothaer Bahnhof wurde oft umgebaut. Der größte Umbau erfolgte 1897/98 und ein weiterer, bei dem der heutige Eingangsbereich entstand, folgte 1907. Bei der Bombardierung Gothas im Februar 1945 erhielt der Bahnhof schwere Treffer. Zwei Drittel des Gebäudes wurden zerstört, das heutige Bahnhofsgebäude ist also nur ein Fragment des ursprünglichen Bahnhofs. Aber es blieb erhalten, weil beispielsweise Ideen der 1950er Jahre mit einer unterirdischen Endstation für die Waldbahn Fantastereien blieben. Gusseiserne Säulen der Gründerzeit trugen noch nach der Wendedie Überdachungen der Bahnsteige.
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